Bananen sind derzeit ein heisses Thema, nein diesmal nicht die Krümmung, sondern ein Foto auf Facebook. Verpackte, geschälte Bananen. Und schon geht der Shitstorm los, auf Facebook und auf Twitter – zum Teil mit dem Hashtag #nakedbanana. Und leise Kritik kommt auch durch – auf Facebook und auf Twitter. Von „Werbegag“ ist die Rede, oder von „Akzeptanztest“. Und das Foto ist verschwunden… Sei es wie es ist, ob künstlich hervorgerufen oder echt (das wäre ein weiteres lohnendes Thema…), die Reaktion war schon da, nur naja darüber wird auch diskutiert.
Ein zugegeben banales Bananenthema. Mit einer ersten Stellungnahme auf Facebook. httpss://www.facebook.com/billa.at/posts/421870251196069 Und den dazugehörigen Kommentaren – von eben „Werbegag“ als auch „man schiebt die Schuld nicht auf Mitarbeiter sondern entschuldigt sich als Unternehmen“ oder „“Bauernopfer“ bis zu Themen wie „ich kann das Wort „Nachhaltigkeit“ schon nicht mehr hören“ und„fertigen Palatschinken“ ist da zu lesen.
In einer meiner früheren Uniarbeiten habe ich den Bodenseeunfall bei Üblingen auf die Krisenstrategie der Skyline untersucht. Und die ähnelt zumindest darin, einen Schuldigen zu benennen. Im Falle vom Bodenseeunfall leider mit dramatischen Nachwehen, der möglichen Ermordung des blosgestellten Fluglotsen. Hoffe den Billamitarbeiten geht es nicht so und sie werden zumindest nicht mit Bananen beworfen…
httpss://www.rp-online.de/panorama/deutschland/fluglotsen-mord-war-es-ein-racheakt-1.2068578
Hier meine damalige Hausarbeit – die Analyse:
Krisen sind komplexe, vernetzte und dynamische Situationen. Sie sind für Organisationen ein sozial relevanter Störfall. Akute Krisen wie z.B. der Flugzeugabsturz sind sofort in den Medien, es bleibt keine Zeit mehr für lange Vorbereitungen was wohl zu tun sei, man ist gezwungen zu reagieren. Es entwickelt sich eine Eigendynamik, die nur dann – zumindest teilweise – steuerbar ist,
wenn man vorbereitet ist. Nach dem ersten Schock kommt Stress und Zeitdruck.Daher ist es wichtig, einen Krisenplan verinnerlicht zu haben, auf den man zurückgreifen kann. Krisen-PR schafft durch Vorbereitung (Krisenplan und Simulation) und Sensibilisierung für noch nicht vorhandene Krisen (Krisenfrüherkennung) die Grundlage in einer Organisation mit solchen Störfällen umzugehen.
Beispiel: Die Theorie und die Praxis am Beispiel Skyguide
Krisenplanung beginnt nicht erst in der akuten Krise – Präventives Krisenmanagement.
Risikoeinschätzungen helfen, latent vorhandene Krisen zu erkennen. Im Falle von Skyguide sind hier erste Mängel zu erkennen. Schon in dieser latenten Krisenphase scheitert die interne Unternehmenskommunikation. Es scheint als gäbe es hierfür nur unzureichende Pläne, keine direkte Kommunikation oder gar Prävention, wie folgende Punkte aufzeigen.
- Fehlende Sensibilisierung und fehlende Richtlinien der Lotsen bei erwarteten Situationen –
durch Systemarbeiten waren wichtige Geräte (STCA – Short Term Conflict Alert und Telefon) abgeschaltet. „Die Lotsen im Kontrollraum waren nicht mit klaren und schnell verfügbaren Richtlinien für die Handhabung außergewöhnlicher Situationen und für das Verhalten bei Ausfall von Systemfunktionen ausgestattet worden.“ (1)
- Fehlende Folgeabschätzung bei unerwarteten Situationen – verspäteter Airbus fliegt Friedrichshafen an. Der Fluglotse hatte in Folge zur gleichen Zeit drei Flugzeuge zu begleiten, was Stress und Fehleranfälligkeit erhöht (1). Der Fluglotse war alleine und hatte keine Möglichkeit, den zweiten Lotsen zu holen (Pausenraum außerhalb Rufweite). „Die Führung und dasQualitätsmanagement des Flugsicherungsunternehmens duldete seit Jahren, dass zu verkehrsarmen Zeiten in der Nacht nur ein Lotse arbeitete, während sich der ebenfalls zur Schicht gehörende zweite Lotse zur Ruhe begab.“ (1)
Krisenteam, Bestandsaufnahme, Zielgruppenanalyse
Eine akute Krisensituation erfordert sofortiges Einsetzen eines Krisenteams, einer Bestandsaufnahme und einer Zielgruppenanalyse, sowie klare Prioritäten- und Rollenverteilung. Dieses Team sollte einen „crisis room“ haben um ungestört agieren zu können.
- Es gab bei Skyguide viele Sprecher, auch Mitarbeiter, die unterschiedliche und widersprüchliche Angaben machten, z.B. über die Zeit zwischen Kollision und Befehl zum Sinkflug.
- Die Zielgruppe „Angehörige“ wurde z.B. wenig bis gar nicht beachtet (2), mit Folgen….
Wahrheitsgemäße Information
Gemäß dem Grundsatz für Krisen PR sollen die betroffenen Gruppen schnell, wahrheitsgemäß und umfassend informiert werden. Hier sind Prioritäten zu setzen, wer was und wem berichtet. Erst nachdem die wesentlichsten Fakten geklärt sind, soll koordiniert und wahrheitsgemäß informiert werden. Hier gilt besonders: Nur eine Botschaft, keine Widersprüche.
- Skyguide urteilt vorschnell –“der Lotse ist nicht schuld„
- Ungeklärte Fakten über Zeitabläufe werden weitergegeben und später dementiert
Präzise Antworten, dort wo es möglich ist, keine Pseudobegründungen
Vage Antworten oder Pseudobegründungen führen zu Verunsicherung, Vermutungen und späteren Vorwürfen.
- Die Aussage „Es war eng, aber tolerierbar„(2) führt zur Frage was noch tolerierbar ist. „Es gebe keine festen Vorschriften über eine Mindestzeit, nach der ein Pilot bei einem drohenden Zusammenstoß gewarnt werden müsse, sagte ein Sprecher“(3).
- „lieber hoch Fliegen, um Brennstoff zu sparen“ – das führt zur Vermutung, dass erhöhtes Risiko in Kauf genommen werde (2).
- „Sie müssen verstehen: Herr XY hat im Stress geantwortet“ (2). Diese Aussage wird als Pseudobegründung wahrgenommen, als Rechtfertigung.
Mit Offenheit verblüffen
Offenheit schafft Vertrauen. Niemand ist unfehlbar und Menschen machen Fehler. Skyguide zeigte sich allerdings uneinsichtig. Die u.g. Antworten führten zu noch mehr Fragen und Vermutungen über das „Chaos der in Flugzentrale“, wie es dann in der Presse zu lesen war (3).
- Auf die Frage: Was läuft falsch bei Skyguide? antwortet der PR Sprecher „Bei Skyguide läuft nichts falsch“ (2). In der menschlichen Wahrnehmung bleibt ein wiederholtes Wort eher hängen. Daher wird hier das Wort „falsch“ umgekehrt zur Absicht des PR Sprechers wahrgenommen- es lief vieles falsch.
- Auf die Frage: Führen Sie nun ein Krisenmanagement ein?antwortet er: „Skyguide verfügt seit jeher über ein Krisenmanagement. Aber bei der Kommunikation gab es nach dem Unfall tatsächlich Pannen…“(2). Der von der BFU vorgelegte Unfallbericht (1) zeigt ein anderes Bild auf und sieht als eine Mitursache systemische Fehler im Management.
Folgen
Krisen sind ein zeitliches Phänomen, kein Punktuelles. Sie wirken lange nach. Skyguide, hat nicht nur sich selbst in ein schlechtes Licht gebracht, die Folgen waren sehr weitreichend.
- Wirkung auf den Staat – Russische Medien vermittelten ein schlechtes Bild über Skyguide. In Folge wurde Bundespräsident Villinger zur Trauerfeier ausgeladen (2).
- Diskussion um das neue deutsch-schweizerische Luftverkehrsabkommen (3, 4)
- Druck auf Politiker – Aufgrund des Mediendruckes und der schlechten Berichterstattung über Skyguide nimmt Verkehrsminister (Bundesrat Leuenberger) selbst Stellung und kann auch Mängel offen zugeben („die Kommunikationspolitik war katastrophal“ (2))
- Racheakt – Ermordung des Fluglotsen – nach eineinhalb Jahren (5)
Beurteilung des Verhaltens von Skyguide
Unüberlegte, chaotische Kommunikation – intern und extern. Es scheint, als gäbe es keinen Krisenplan. Von präventiven Maßnahmen scheint ebenfalls keine Spur zu sein, das Management toleriert Bequemlichkeiten des Personals, Wartungsarbeiten werden nur per Flugzettel angekündigt. Trotz Allem darf man nicht zum voreiligen Schluss kommen, der Fluglotse alleine sei Schuld am Unfall. Laut Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung sind Faktoren wie die unterschiedliche Handhabe der TCAS (Traffic Alert and Collision Avoidance System) und fehlende interne Krisenprävention seitens des Managements ebenso zu berücksichtigen (1).
1) Bundestelle für Flugunfalluntersuchung: Untersuchungsbericht AX001-1-2/02 Mai 2004, httpss:// www.bfu-web.de
2) Plötzlich ist sie da – die Krise: httpss://www.rhetorik.ch/Aktuell/Aktuell_jul05_2002.html
3) httpss://mainz-online.de/on/02/07/05
4) httpss:www.emergency-management.net/bodensee_mehr.htm
5) httpss://www.aktuell.ru
6) Die Logik des Mißlingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Dietrich Dörner, rororo 1992 –
1 lt. Eurocontrol liegt der Mangel an Flugverkehrslotsen europaweit bei etwa 12% (1). Das ist an sich schon eine latente Krise.